Kulturelle Unterschiede können in der Kita zu Missverständnissen und Konflikten führen. Doch mit interkultureller Kompetenz lassen sich diese Herausforderungen meistern. Erfahren Sie, wie Sie Missverständnisse vermeiden und eine positive Erziehungspartnerschaft aufbauen können.
Inhaltsverzeichnis
- Interkulturelle Kommunikation
- Interkulturelle Kompetenz
- Interkulturelles Lernen nach Grosch & Leenen
- Quellen
Interkulturelle Kommunikation
Interkulturelle Kommunikation ist in der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Gerade als Erzieher:in hat man vielfach mit unterschiedlichen Kulturen Berührungspunkte und so können schnell einmal Probleme in der Kommunikation auftreten. Wichtig zu wissen ist, dass meist nicht der ursprüngliche Grund der Unterhaltung einen Konflikt verursacht, sondern vielmehr Probleme in der interkulturellen Kommunikation zu Übermittlungsfehlern führen, welche dann Auslöser von Diskussionen sind.
Beispiel : Ein oder eine Erzieher:in möchte einem seit zwei Jahren in Deutschland lebendem Elternteil einer afrikanischen Familie mitteilen, dass sie ihr Kind doch bitte pünktlich morgens abgeben soll. Der Grund der Fachkraft liegt im Ablauf des Kita-Alltags. Das jeweilige Elternteil könnte die Aussage jedoch aufgrund des anderen kulturellen Hintergrundes falsch auffassen. Grund hierfür sind andere kulturelle Prägungen in der Vergangenheit.
Um sich näher mit der interkulturellen Kommunikation zu beschäftigen, muss man grundlegende Kenntnisse über Kommunikation haben. Denn in der Kommunikation gibt es verschiedene Ebenen, welche sich in verbale (Aussprache) und nonverbale (u. a. Mimik, Gestik) Bereiche gliedern. Ebenfalls sind sogenannte rezeptive und produktive Fähigkeiten eine Grundvoraussetzung der Kommunikation. Während rezeptive Fähigkeiten Hören und lesen umfassen, berühren die produktiven Fähigkeiten die Bereiche Sprechen und Schreiben.
Bezugnehmend auf das Modell von Schulz-von-Thun gibt es weitere Bereiche, welche die interkulturelle Kommunikation berühren. Hierzu währen die Ebenen der Informations- und Beziehungsfunktion sowie der Ausdrucks- und Apellfunktion zu nennen.
Ein Grundproblem gerade in der interkulturellen Kommunikation liegt also in der falschen Auffassung und Beurteilung des Verhaltens der anderen Person. Aufgrund unterschiedlicher Erlebnisse und kultureller Prägung gibt es zwischen den kommunizierenden Personen Differenzen, da jede Person Erfahrungen und Wissen kulturabhängig organisiert und im Gehirn speichert. Solche Kommunikationsprobleme nennt man in der Fachsprache Interferenzproblem. (vgl. Grosch und Leenen 2000, S. 31ff)
Interkulturelle Kompetenz
Interkulturelle Kompetenz ist notwendig, um interkulturelle Kommunikation störungsfrei bewerkstelligen zu können. Durch die interkulturelle Kompetenz können Missverständnisse, Ressentiments sowie Ethnozentrismen bewältigt werden. Interkulturelles Lernen hat immer das Ziel, dass der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin angemessen und effektiv in der interkulturellen Kommunikation handeln.
Doch welche Bereiche berührt die interkulturelle Kompetenz und wie gehe ich mit meinem oder meiner Gesprächspartner:in innerhalb eines interkulturellen Dialoges um? Grundsätzlich berührt die interkulturelle Kommunikation vier Dimensionen:
- Förderliche Einstellungen
- Kulturelles Wissen & interkulturelle Fähigkeiten
- Reflexion interkultureller Themen
- Konstruktive Interaktion
Die persönliche Einstellung zur Interkulturalität entscheidet grundlegend, wie viel sich ein Mensch mit der Thematik beschäftigt und dieser hierdurch neues Wissen erwirbt. Das respektieren der anderen Kultur, welche meist andere Einstellungen und Normen besitzt, gehört zur Dimension der konstruktiven Interaktion, wodurch kulturelle Regeln geschützt werden sollen. Durch die Selbstreflexion nach dem stattfinden interkultureller Dialoge und Konstellationen lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer Steigerung der interkulturellen Kompetenz steigern.
Wichtig zu wissen ist, dass jede Situation und jeder Kontakt positive wie negative Erlebnisse hervorrufen kann, welche die oben genannten Dimensionen berühren und beeinflussen. Daher ist die interkulturelle Kompetenz ein lebenslanger Prozess, der stetig stattfindet und niemals abgeschlossen sein wird. (vgl. Boecker und Ulama 2008)
Interkulturelle Kompetenz lässt sich durch interkulturelles Lernen erreichen, mit dem Ziel, eine Kommunikation über Kulturen hinweg störungsfrei zu bewerkstelligen. (vgl. Grosch und Leenen 2000, S. 29)
Um das Ziel der interkulturellen Kompetenz erreichen zu können, gibt es beispielsweise ein von Harald Grosch und Wolf Rainer Leenen entwickeltes 7-Phasen-Modell des interkulturellen Lernens, auf das nachfolgend detaillierter eingegangen wird.
Interkulturelles Lernen nach Grosch und Leenen
Das 7-Phasen-Modell von Grosch und Leenen ist ein detailliertes Modell des interkulturellen Lernens und geht von der sogenannten Kulturzentrismus-Theorie aus. Die Phasen des Modells sind aufeinander aufbauend, sodass zwingend Phase 1 beendet werden muss, um in die anderen Phasen zu gelangen. Das Modell sieht keine Störungen oder Unterbrechungen während des interkulturellen Lernens vor. Im Laufe des Lernprozesses erlernt die Person neue Qualifikationen, um die interkulturelle Kommunikation zu verbessern. Diese Qualifikationen steigern sich von Phase zu Phase. (vgl. Schulze 2010, S. 5ff)
Nach Durchlaufen des Lernprozesses hat die Person die Fähigkeit erlangt, „konstruktive & wechselseitig befriedigende Beziehungen“ (Grosch/Leenen 1998, S.40) einzugehen.
Nachfolgend sehen Sie die einzelnen Phasen nach Grosch/Leenen:

Die 7-Phasen des Modells nach Grosch und Leenen
Phase 1
Originalaussage:
Die generelle Kulturgebundenheit menschlichen Verhaltens erkennen & akzeptieren können
Bedeutung:
Kulturelle Eigenheiten und Wünsche eines Menschen erkennen und akzeptieren, auch wenn diese einem selbst nicht gefallen. Bsp.: Der andere Gesprächspartner oder die andere Gesprächspartnerin hört Balkanmusik. Mir gefällt diese selbst nicht, aber ich akzeptiere seinen Musikgeschmack, da er aus dem Balkan kommt und hiermit vermutlich Heimat verbindet.
Phase 2
Originalaussage:
Fremdkulturelle Muster als fremd wahrnehmen können, ohne sie (positiv oder negativ) bewerten zu müssen (geringes Maß an Kulturzentrismus)
Bedeutung:
Ein japanischer Mensch stammt aus einer anderen Kultur als eine Person, die in der deutschen Kultur aufgewachsen ist. Der Japaner beziehungsweise die Japanerin geniert sich aufgrund seiner Kultur Probleme direkt anzusprechen. Eine deutsche Person erkennt dieses Verhalten, wertet es jedoch weder positiv noch negativ.
Phase 3
Originalaussage:
Eigene Kulturstandards identifizieren & ihre Wirkung in der Begegnung mit einer Fremdkultur abschätzen können (own-culture-awareness)
Bedeutung:
Deutsche reagieren beispielsweise auf Scherze oder kleine Schwindeleien anders als Personen, die in anderen Kulturkreisen aufgewachsen sind. Für diese können diese Tätigkeiten eine ganz andere Bedeutung haben. In der Phase III kann eine Person die eigenen Kulturstandards erkennen und die vermutlich entfaltende Wirkung auf das Gegenüber abschätzen.
Phase 4
Originalaussage:
Deutungswissen über bestimmte fremde Kulturen erweitern; relevante Kulturstandards identifizieren und dazu weitergehende Sinnzusammenhänge in der Fremdkultur herstellen können
Bedeutung:
Eine Person hinterfragt in der Phase IV, wieso etwas in der anderen Kultur so ist, wie es ist. Hierdurch kann die Person einen größeren Zusammenhang erkennen, um die andere Kultur besser zu verstehen.
Phase 5
Originalaussage:
Verständnis & Respekt für fremdkulturelle Muster entwickeln können
Bedeutung:
Eine Person in der Phase V entwickelt Verständnis und Respekt für Muster, die eine Person aufgrund ihrer anderen Kultur besitzt. Das können beispielsweise unterschiedliche Muster in der Kommunikation oder dem Handeln sein.
Phase 6
Originalaussage:
Erweiterung der eigenen kulturellen Optionen:
- mit kulturellen Regeln flexibel umgehen können
- selektiv fremde Kulturstandards übernehmen können
- zwischen kulturellen Optionen situationsadäquat und begründet wählen können
Bedeutung:
Während einer interkulturellen Kommunikation übernimmt in Phase VI eine Person selektiv fremde Kulturstandards oder wählt je nach Situation unterschiedliche Optionen aus, um die Ziele der interkulturellen Kommunikation zu erreichen.
Phase 7
Originalaussage:
Zu und mit Angehörigen einer fremden Kultur konstruktive & wechselseitig befriedigende Beziehungen aufbauen, mit interkulturellen Konflikten praktisch umgehen können
Bedeutung:
Eine Person in Phase VII des Modells kann konstruktiv und situationsbedingt während einer interkulturellen Kommunikation reagieren, sodass beide Gesprächspartner eine befriedigende Beziehung aufbauen. Ebenfalls geht die Person nun mit Konflikten praktisch um und löst diese.
Quellen
- Boecker, Malte; Ulama, Leila (2008): Interkulturelle Kompetenz – Die Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert ? Bertelsmann Stiftung und Fondazione Cariplo. Online verfügbar unter https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Presse/imported/downloads/xcms_bst_dms_30236_30237_2.pdf, zuletzt geprüft am 30.12.2020.
- Grosch, Harald; Leenen, Wolf Rainer (2000): Interkulturelles Lernen. Arbeitshilfen für die politische Bildung. 2. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
- Schulze, Annegret (2010): Stufen- und Phasenmodelle Interkulturellen Lernens. Eine kritische Untersuchung von drei Modellen zur Analyse des Interkulturellen Lernens im Film „Fremder Freund“. München: GRIN Verlag GmbH.